domingo, 6 de julio de 2003

IMAGENES INTERIORES: Baum


IMAGENES INTERIORES le enseñará el lado menos conocido del diseño moderno de ataúdes: en la actualidad este proceso está muy ligado a leer y escribir y tal vez aun más con el ver. Juntar imágenes cotidianas con imagenes interiores lleva a textos, fotos o instalaciones. Y de vez en cuando hasta un ataúd puede ser el resultado...


Baum
para Max Roick




"Ich hege zärtliche Zuneigung zu meinen Bäumen; ich habe ihnen Elegien, Sonette und Oden gewidmet; es gibt keinen einzigen unter ihnen, den ich nicht mit eigenen Händen gepflegt, den ich nicht von dem Wurm an seiner Wurzel, von der Raupe auf seinen Blättern befreit hätte; ich kenne sie alle bei Namen, als wären es meine Kinder; sie sind meine Familie, ich habe keine andere, und ich hoffe in ihrer Mitte zu sterben."( Francois-René Chateaubriand, Mémories d'outre-tombe)

Der Baum ist Symbol für das Leben. Wörter wie Lebensbaum und Ahnenbaum erinnern an den Anfang und das Ende. Er ist, wie wir, fest mit der Erde verankert und streckt sich trotzdem immer gegen das Licht, den Himmel. In diesen Tagen soll nun einer von ihnen, ein Prachtexemplar, vor meiner Nase gefällt werden und ich kann nichts, aber auch gar nichts tun, was dies noch verhindern könnte. Es ist schon einmal geschehen, aber da wusste ich vorher nichts davon. Ich verliess morgens das Haus und als ich abends wiederkam, war er weg, der jahrzehntealte und damals inzwischen gut zehn Meter hohe Gummibaum. Ich hatte so etwas bisher nur aus Blumentöpfen gekannt und mir vorher nicht träumen lassen, dass sie solch gigantische Ausmasse annehmen konnten. Mittlerweile lebte ich nun schon einige Jahre mit dieser Schönheit Tür an Tür und mit einem Mal war er weg, mein exotischer Nachbar, und niemand hatte mir vorher einen Abschied von ihm nahegelegt.Das ist heute anders. Seit zwei Wochen weiss ich um das Schicksal, welches die doppelt so hohe und nunmehr 37 Jahre alte Esche erwartet. Sie hatte die Frechheit in dieser Zeit ihre Wurzeln unter das Fundament des Hauses seiner ´Besitzer´ zu graben und damit nicht genug, ebenfalls unter jene des Nachbarhauses, welches wiederum meine Nachbarn sind, was soviel bedeutet, dab sie in kommenden Jahren auch kaum vor meinem Haus haltmachen werden. Das ist der Grund warum die Leute, in deren Garten sie steht, mit meinen Nachbarn übereingekommen sind, dass es nun ein Ende mit ihr haben muss. Niemand ist erfreut darüber, das sagen alle einmütig und ich glaube ihnen zum Teil, denn sie ist, neben Schattenspender und Vogelparadies, eine reine Augenweide. Das kann selbst dem unsensibelsten Menschen nicht entgangen sein. Aber das Haus, die Häuser, stehen an erster Stelle! Ich bin -noch nicht- selbst betroffen. Trotzdem bin ich davon überzeugt, dass die Bäume mindestens zum gleichen Teil wie die Behausungen unsere Lebensqualität ausmachen. Und damit meine ich nicht einmal den Sauerstoff, den sie uns liefern. Ich wäre ohne weiteres bereit, eine Licht suchende Wurzel in meinem Wohnzimmer willkommen zu heissen. Ich weiss sehr wohl, dass ich für eine derart extravagante Lösung des Problems kaum sehr viele Nachahmer fände. Es glaubte mir wohl auch niemand ernsthaft, solange es mir nicht wirklich passieren würde.Gestern nun kam ich nachhause und fand bei den Nachbarn einen grossen Berg abgeschnittener Äste vor dem Haus. Aber die Esche stand, wenn auch in ziemlich abgeschwächtem Prunk, zum Glück noch an ihrem Platz. Es schien, als sei sie noch einmal davongekommen. Ich wusste noch nicht, was diesen Meinungsumschwung bewirkt hatte, aber dass um die Frühjahrszeit die Bäume, oftmals radikal, beschnitten werden, ist ein gewohnt hässlicher Anblick, der mich dieses Mal allerdings sehr beruhigte. Der von mir befragte Gärtner des betreffenden Hauses beschwerte sich, dass der Baum nicht sogleich komplett gefällt wurde. Nun, er dachte dabei wohl zuallererst an all die Blätter, den ´Schmutz´, den er durch sein vollständiges Verschwinden nicht mehr zu beseitigen gehabt hätte. Aber die ´Frau des Baumes´, die Nachbarin, belehrte mich am Abend eines Besseren: schon morgen oder spätestens in der kommenden Woche würden die Gemeindearbeiter ihr einmal begonnenes Werk vollenden und dann wäre wieder Ruhe. Tatsächlich hatte ein anderer Anwohner bereits Anzeige erstattet, denn in der meistbevölkerten Stadt des Planeten ist es nicht so ohne weiteres möglich, einen Baum zu fällen, auch nicht dann, wenn er im eigenen Garten steht und dort möglicherweise sogar eigenhändig gepflanzt wurde. Aber diese Anzeigen sind in der Regel nutzlos, denn wer zahlt, und das tut man für eine Fällgenehmigung selbstverständlich, ist im Recht. So geht das Zittern um den Baum, welches daher auch vollkommen sinnlos ist, heute weiter.Ein Prachtexemplar, das ist er wohl. Aber in der grossen Stadt ist mir jeder Baum eine Pracht, eine Bonsai-Ausführung auf einem Fensterbrett ebenso wie ein schon toter, aber als urbane Skulptur an der Stadtautobahn weiterhin standhafter. Nach dem radikalen Frühjahrsschnitt ist es nur schwer zu unterscheiden, welcher Baum tot ist und welcher noch Leben in sich hat. Wie eine stumme Anklage stehen sie aufgereiht entlang der grossen Alleen und sehen gespenstisch aus, so ganz ohne Blätter und oftmals ohne einen einzigen Ast, als im trüben Sonnenlicht silbergrau glänzende, unförmige Säulen der Erinnerung. In diesem Moment bis zu dem Zeitpunkt, wenn die Regenzeit beginnt, muten viele davon wie traurige, vom Menschen - allerdings ungewollt - geschaffene Kunstwerke an. Mit dem ersten Regen spriessen dann auch wieder die Blätter und man weiss, welcher Baum wirklich tot und welcher allem Anschein zum Trotz doch noch am Leben war. Aber wann ist ein Baum wirklich tot? Die Grenze verschwimmt hier, denn selbst im bearbeiteten Zustand erscheint uns Holz noch ganz lebendig. Kein Werkstoff erscheint uns natürlicher als Holz und doch ist es im Haus- und Möbelbau, im Instrumentenbau immer (beinahe) tot. Liegt es daran, dass Holz seit Anbeginn der Menschheitsgeschichte auf´s Engste mit ihr verbunden ist, ja, dass sie ohne die Nutzbarmachung von Holz so gar nicht vorstellbar wäre? Auch heute noch ist das erste und das letzte Ruhemöbel des Menschen in der Regel aus Holz gefertigt.Aber Holz ist nicht Baum. Ist es nicht? Die Existenz eines Baumes ist durchaus mit einem Menschenleben zu vergleichen, wenn auch nicht in seiner zeitlichen Dimension. Aus dem Keim entsteht die junge Pflanze, die dann, wenn alles gut geht, zu einem ausgewachsenen Baum heranwächst. Bei einem Stammquerschnitt kann man schon recht bald an den einzelnen Jahresringen gute und schlechte Zeiten seines Lebens ablesen. Das allein würde schon nahelegen, ihn mit einer menschlichen Existenz vergleichen zu wollen, fette Jahre, dünne Jahre. Aber verfolgt man die Geschichte weiter, wird gerade mit dem Fällen eines Baumes etwas offensichtlich, was dem Menschenleben beinahe noch ähnlicher ist. Der Baum ist ja noch nicht wirklich tot. In diesem Zustand wird er zunächst entrindet, danach zu Brettern und Balken gesägt, diese dann später durch weiteres zerkleinern, schneiden, fräsen, schleifen und verbinden in eine neue Form gebracht, dieser durch spritzen, streichen, lackieren und polieren ein ganz bestimmtes Äusseres gegeben und dann hat es ein vorläufiges Ende mit der Transformation. Aber nach einer bestimmten Zeit ist eine Restaurierung notwendig und bleibt sie schliesslich aus, geht es mit den hölzernen Bestandteilen des Möbels oder Bauwerks auch ziemlich schnell zuende. Es verkommt, verwittert und verfällt und am Ende zerbröselt es zu Staub.Wie ähnlich doch das Leben eines Menschen!Warum betrachten wir Bäume nicht als Verwandte? (Natürlich könnte das gleiche auch für einen Stein gelten!).Man sagt der Mann/Mensch solle im Leben ein Kind zeugen, ein Buch schreiben und einen Baum pflanzen. Damit ist gesagt, was Leben spendet und den Fortbestand sichert.Ein Kindermord ist nicht gesühnt durch das Zeugen von weiteren Kindern, ebensowenig wie Bücherverbrennung durch die Erlaubnis, wieder Bücher schreiben und verlegen zu dürfen. Ohne ein radikales Umdenken wird nichts von alledem jemals gesühnt sein. So sollten wir jedem gefällten Baum ein Denkmal setzen, Monumente dafür erfinden, in den Städten und Wäldern, in den Vorgärten, die uns zwar das unwiderruflich vergangene Leben nicht zurückbringen werden, die uns aber immer daran erinnern, wie Leben sein könnte und das da einmal Leben war.
27. 02. und 04. 03. 2003

(Nachtrag: es hat schliesslich noch lange gedauert, aber seit fünf Tagen hacken täglich zwei bis drei Arbeiter mit ihren Macheten auf die Esche ein, die heute noch immer zu mehr als einem Drittel steht.19. 06. 2003)

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